Lieben

Letzte Überarbeitung: 14. Juni 2005

Viele Menschen in unserer Gesellschaft wachsen in dem Glauben auf, sie müssten erst bestimmte Leistungen erfüllen und bestimmte Eigenschaften besitzen, bevor sie es "verdienen", lebens- und liebenswert zu sein.

Kaum einer kann sich selbst so akzeptieren wie er ist, sich selbst lieben.

Also suchen wir die fehlende Liebe bei anderen, sie sollen leisten, was wir selbst nicht zustande bringen: uns zu lieben.
Und von ihrer Liebe machen wir abhängig, ob wir liebenswert sind oder nicht. Werden wir nicht geliebt, scheinen wir es auch nicht wert zu sein.
Etwas hat nicht gestimmt, wir haben nicht genug geleistet oder die falsche Leistung erbracht, fehlende oder die falschen Eigenschaften hindern uns daran, liebenswert zu sein, oder aber der Mangel an Selbstliebe ist so groß, dass wir anderen gar nicht glauben können, dass sie uns lieben. Denn unsere Liebenswertigkeit hängt ja von Leistung ab. Und die glauben wir nicht ausreichend erbracht zu haben.

Dabei vergessen wir, dass es anderen genauso geht.
Wie wir selbst sind sie nicht fähig sich unabhängig ihrer Eigenschaften und Leistungen zu lieben. Also können sie auch andere nicht unabhängig deren Eigenschaften und Leistungen lieben.

Wie wir sind sie ihr ganzes Leben lang auf der Suche, und wissen doch gar nicht, was sie überhaupt finden wollen.
Sie versuchen sich anderen anzupassen oder sich von ihnen abzuheben, immer mit dem Ziel, liebenswert zu werden, ein Loch stopfen zu lassen, von dem sie selbst nicht glauben, in der Lage zu sein es zu flicken.
Eine Wunde, auf die andere ihre Hand legen können, uns helfen, das Blut zurückzuhalten, die aber nur wir alleine heilen können.
Das selbst zu schaffen, scheint uns unmöglich, und so nehmen wir lieber Schmerzmittel als auf unsere eigene Heilkraft zu vertrauen.
Ob sich das nun in unserem Konsumverhalten zeigt, unseren Beziehungen, Drogen verschiedenster Art, Gewalt gegen uns, Gewalt gegen andere, oder am Ende, wenn alles den Schmerz nicht mehr erträglich machen kann, Selbstmord.
Immer ist es eine Flucht vor dem vermeintlich "minderwertigen" Selbst, worauf auch immer diese "Minderwertigkeit", diese fehlende Liebe beruht.

Erst wenn wir gelernt haben, uns selbst mit all unseren Schwächen und Stärken anzunehmen, Liebe also nicht mehr von Eigenschaften und Leistungen abhängig zu machen, sind wir fähig wirklich zu lieben. Andere zu lieben, für das was sie sind, und nicht für das, was wir von ihnen zu bekommen erhoffen.

Aber wie wollen wir dieses Ziel erreichen, uns selbst unabhängig irgendwelcher Äußerlichkeiten zu lieben, wenn wir die fehlende Leistungsfähigkeit anderer sogar als Rechtfertigung benutzen, ihnen ein Lebensrecht abzusprechen, sie zu töten?

Vielen ist gar nicht bewusst wie sehr noch dieses "Tier" in ihnen steckt, das sie so bedenkenlos ver-brauchen, miss-brauchen... - so verachten.
Sie sind Gefangene einer Welt, in der nur Leistung zählt, die Macht des Stärkeren.
Sie machen sich nicht bewusst, dass die Bewertung anderer nach ihren Eigenschaften, Gewohnheiten und Leistungen zu Diskriminierung führt, zu Neid, Misstrauen, Angst, Hass, Unterdrückung, Gewalt, zu Kriegen.
Und dass ihr ganzes Unglück vor allem darin besteht, dass sie sich selbst nicht lieben können wie sie sind.
Obwohl sie wie wir alle verdienen, geliebt zu werden.
Unabhängig eines willkürlich festgelegten Grades von Intelligenz, oder durch einen von einer anonymen Gesellschaft definierten Leistungserfolg.

Einfach weil sie leben.
Lieben.
Leiden.


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