Rechtfertigung

Letzte Überarbeitung: 3. Februar 2005

Was ist denn der ausschlaggebende Unterschied zwischen "Tier" und "Mensch", der uns erlaubt Tiere zu töten?

Aussehen

Der augenfälligste Unterschied zwischen verschiedenen Spezies ist ihr Aussehen.
So wie wir Menschen äußerlich beurteilen, finden wir auch manche Tierarten schöner oder hässlicher als andere.
Obwohl Äußerlichkeiten nichts über die inneren Werte einer Person aussagen, verhalten wir uns gegenüber Menschen, die wir "schön" finden ganz anders, als gegenüber denen, die in unseren Augen "hässlich" sind.
Wenn wir von Tierversuchen erfahren, bei denen Katzen Nervengifte gespritzt werden, löst das bei vielen ganz andere Empfindungen aus, als wenn es sich bei den Versuchstieren um Ratten handelt. Dabei leiden beide Lebewesen unter den gleichen Schmerzen.
Sähen Schweine aus wie Menschen, würden wir das Argument sie seien so intelligent wie zwei- oder dreijährige Kinder vielleicht nicht mit dem Einwand abschmettern, sie erreichten aber nicht die Intelligenz eines Erwachsenen.

Aber auch wenn unsere Sympathien stark auf Äußerlichkeiten ausgerichtet sind, als Rechtfertigung der Ausbeutung von Tieren wenden wir sie zumindest in der offenen Diskussion nicht an.

Intelligenz

Das scheinbar wichtigste Argument, das den meisten als erstes einfällt, ist die unterschiedliche Intelligenz.
Tiere sind dumm.
Menschen sind klug.
Zumindest gibt es zwischen beiden große Unterschiede.

Aber bestehen die nicht auch unter Menschen?

Man vergleiche einmal Albert Einstein mit einem fern jeglicher Zivilisation lebenden Ureinwohner, der niemals in seinem Leben eine Schule besucht hat.
Ohne Frage scheint Albert Einstein dem Ureinwohner in Sachen Intelligenz überlegen zu sein und auch uns wird es wahrscheinlich schwer fallen, mal eben die Relativitätstheorie zu erklären.
Aber was kümmert unseren Ureinwohner die Relativitätstheorie? Auch die höhere Mathematik wird ihn wenig interessieren, ja er kann vielleicht noch nicht einmal bis vier zählen1. Er muss weder lesen noch schreiben können. Er benötigt diese Fähigkeiten nicht, um in seiner Umwelt zu überleben. In eine Großstadt gebracht, würde er ohne Unterstützung kaum eine Chance haben, sich ein Leben aufzubauen, aber auch Albert Einstein wird sich schwer tun, ohne fremde Hilfe längere Zeit in der "Wildnis" zu überleben. Seine Relativitätstheorie ernährt ihn hier nicht wirklich.

Sowohl Einstein als auch der Ureinwohner sind mehr oder weniger gut an ihre Umwelt angepasst. Die überragenden Fähigkeiten des Ureinwohners, der Wasser und Nahrung an Stellen findet, an denen Einstein achtlos vorbei geht, benötigt dieser in seiner hochtechnisierten und spezialisierten Welt nicht. Dort überlebt man nicht durch Sammeln und Jagen von Nahrungsmitteln, sondern durch verschiedenste Arten Geld zu verdienen, das man dann gegen Nahrungsmittel eintauscht, die wiederum von anderen Menschen produziert werden.
Um das Überleben von Millionen auf engstem Raum lebender Menschen sicher zu stellen, spezialisieren sich die einzelnen und arbeiten so effektiver zusammen, um die Überlebenschancen aller zu verbessern. Unser Ureinwohner, der sich um alles selbst kümmert, wird es hier sehr schwer haben, genauso wie ein "Zivilisierter" in der "Wildnis", wo ihm seine Spezialisierung wenig nutzt.

Jedes Lebewesen ist perfekt an seine Umgebung angepasst um zu überleben. Was die aus dem Leben in großen Gruppen hervorgegangene Zusammenarbeit, Spezialisierung und Intelligenz beim Menschen, ist bei einem Hund der empfindliche Geruchssinn, bei einer Spinne der Spinnfaden, bei einem Chamäleon die Tarnfähigkeit, bei einem Geparden die Geschwindigkeit, bei der Fledermaus der Radar usw.
Die Vielfalt an Fähigkeiten, die andere Lebewesen entwickelt haben, um zu überleben, ist gigantisch.
Ein Kolibri muss nicht lesen und schreiben können, um zu überleben und wir brauchen nicht die Kunst beherrschen, auf der Stelle zu fliegen.

Unsere Intelligenz ist eine Fähigkeit, die sich während der Geschichte des Menschen entwickelt hat und sein Überleben in verschiedenen Umgebungen sicherstellte.
Auch wenn wir durch sie eine Machtposition errungen haben, durch die wir die Möglichkeit besitzen, sämtliche anderen Tiere zu unterdrücken und auszubeuten, haben wir noch lange nicht das moralische Recht dazu.
Wohlgemerkt besteht diese Macht nur, solange wir uns in der Gruppe befinden. Alleine und ohne Werkzeuge, Auge in Auge mit einem Löwen oder auch nur einem Stier oder einem Wildschwein würden wir es wohl kaum auf eine Konfrontation ankommen lassen. Den ein oder anderen von uns schlägt sogar eine kleine Maus oder eine Spinne in die Flucht.
Aber das kennen wir ja nicht nur aus unserer Kindheit:
In Gruppen oder mit einem Messer bewaffnet fühlt sich jeder Raufbold stark.

Solange wir nicht in die Lebensräume anderer Spezies eingreifen, kommen sie Dank ihrer Fähigkeiten wunderbar alleine klar und im Gegensatz zum Menschen fällt es ihnen nicht ein, ihre eigenen Lebensgrundlagen zu zerstören.
In der Wüste sind wir nach ein paar Tagen verdurstet - trotz unserer überragenden Intelligenz.
Ein Dunkelkäfer macht einfach einen Handstand und sammelt mit dem Rücken Kondenswasser aus der Luft.

Was also ist an unserer Intelligenz so bedeutend, dass sie es rechtfertigen könnte, andere Lebewesen zu töten?
Höchstens die Möglichkeit, durch sie die Macht zu haben, eben diese Gewalt auszuüben.
So wie ein Löwe durch sein Gebiss und seine Kraft die Möglichkeit hat, eine Antilope zu reißen.

Die Macht des Stärkeren.

Wollen wir uns wirklich noch länger darauf berufen?

Weitere bei Menschen besonders ausgeprägte Fähigkeiten

Auch künstlerische Fähigkeiten wie Musik oder Malen benötigen wir, um zu überleben. Einerseits würden einige unter uns wahrscheinlich vor Langeweile sterben, weil sie sonst einfach nichts zu tun haben, andererseits wurde durch gemeinsames Musizieren schon in der Steinzeit Stress unter den Gruppenmitgliedern abgebaut und das Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt.

Ohne vorausschauend planen und handeln zu können, wäre ein Zusammenleben in der Gruppe unmöglich. Wir müssen uns jederzeit darüber klar sein, welche Auswirkungen unser Verhalten auf andere hat und uns im Gegenzug auf unsere Mitmenschen verlassen können.
Das Bewusstsein unseres Selbst ist Voraussetzung dafür, ein Bewusstsein bei anderen annehmen zu können und danach zu handeln.
Ohne gegenseitige Rücksichtsnahme würde sich die Gruppe auflösen, die einzelnen hätten viel geringere Überlebenschancen.

Sprache ist notwendig, um das Leben in Gruppen zu koordinieren. Umso größer und spezialisierter die Gruppe, umso vielfältiger die Aufgaben, Werkzeuge und gemeinsamen Aktivitäten, desto komplexer wird auch die Sprache.

Und selbst unsere Religion ist, was auch immer sich der Wissenschaft noch verbergen mag, vor allem ein Glaube, der uns hilft aufeinander Rücksicht zu nehmen, Stress abzubauen und die Zusammenarbeit der Gruppe zu fördern.

Wir bestimmen die Kriterien selbst

Egal welche Fähigkeit oder Eigenschaft wir heranziehen um die Ausbeutung und Tötung anderer Lebewesen zu rechtfertigen: stets picken wir uns jene heraus, in denen wir uns überlegen glauben und ignorieren solche, in denen wir unterlegen sind.

Letztlich läuft alles auf eines hinaus: wir haben die Macht, andere Spezies zu unterdrücken, lebenslang einzusperren, zu quälen und zu töten, ohne jemals ihre Gegenwehr fürchten zu müssen.
Unserem Machtapparat gegenüber sind sie vollkommen hilflos.

Um unser Gewissen zu beruhigen, versuchen wir uns damit zu rechtfertigen, dass wir auch in der Lage sind, wunderbare andere Dinge zu tun, die unsere Opfer nicht beherrschen, stellen uns auf diese Weise moralisch höher und erklären sie als "minderwertig".
Aber muss ein fühlendes, schmerzempfindendes Lebewesen, das sogar psychisch erkranken kann musizieren, menschliche Grammatik beherrschen oder komplizierte Gleichungen lösen können, um ein Lebensrecht zu haben, um nicht eingesperrt und gequält zu werden?

Dürfen wir unser konsumorientiertes Interesse an einem bestimmten Geschmack über das existenzielle Interesse des Tieres stellen, zu leben?


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Quelle:
1 Was ist Intelligenz? » Aufgaben der Intelligenzforschung  (II-4.1 Kritikpunkt an Intelligenztests)

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