Studie:
Affen äffen nach


Ein lang gepflegter wissenschaftlicher Diskurs könnte sich seinem Ende nähern. Nur Menschen, so meinten bislang viele, lernen durch Imitieren. Doch eine neue Studie zeigt: Auch hier ist der Homo sapiens kein Unikum.

Hamburg/Paris - Immer wieder haben Primatologen und Genetiker in den vergangenen Jahren Hinweise für eine unerwartet hohe Intelligenz bei Primaten und zwar im besonderen bei Menschenaffen gefunden. Die Liste der Eigenheiten, die den Menschen angeblich von seinem nächsten Verwandten, dem Schimpansen, unterscheiden, schrumpft kontinuierlich. Dass die Affen, deren Erbmaterial zu fast 99 Prozent mit dem ihrer haarlosen Vettern übereinstimmt, Werkzeuge benutzen und Kriege führen, entdeckte bereits die berühmte Schimpansenforscherin Jane Goodall in den sechziger und siebziger Jahren. Selbst eine rudimentäre Sprachfähigkeit machte man bei den Tieren aus.

Lange interessierten sich Primatologen und Anthropologen nun dafür, wie Schimpansen und andere Menschenaffen lernen. Ist "Trial and error" alles oder können die Tiere bestimmtes Verhalten von anderen abschauen und erkennen, dass sie damit am besten zum Ziel kommen? Schon vor langem entdeckte der Schweizer Primatologe Christophe Boesch, dass Schimpansen verschiedene Kulturen besitzen. So beobachtete er eine Gruppe im Taï-Nationalpark in der Elfenbeinküste, die eine bestimmte Art, Nüsse mit einem Stein zu knacken, an die nachkommenden Generationen weitergab. In ostafrikanischen Schimpansenpopulationen war die Methode gänzlich unbekannt.

Doch haben die Jungen das Nüsseknacken wirklich durch Imitation erlernt? Sicher, Boesch beobachtete immer wieder, kleine Schimpansen, die der Mutter interessiert bei der Nahrungszubereitung zusahen. Später öffneten sie dann irgendwann Nüsse auf dieselbe Weise. Aber womöglich wurde das junge Tier nur durch die Beobachtung angespornt, sich näher mit der verlockenden, aber harten Nuss zu beschäftigen, und schaffte es dann nach einigem Herumprobieren, sie zu knacken.

Die Ansichten hierüber gingen unter Experten stark auseinander. Wissenschaftler der schottischen Universität St. Andrews und der Universität Emory in Atlanta könnten jetzt die Nuss geknackt haben. Ihrer in "Nature" veröffentlichten Studie zufolge sind Schimpansen durchaus in der Lage, bewusst Artgenossen nachzuahmen, um an ihr Ziel zu gelangen.

Für ihr Experiment teilten die Wissenschaftler Andrew Whiten, Victoria Horner und Frans de Waal Schimpansen in drei Gruppen ein und stellten sie vor die Aufgabe, einen Köder aus einem per Korken verschlossenen Behälter mit Hilfe eines Stocks herauszuholen. Aus der ersten Gruppe wählten sie Erika aus und brachten ihr bei, den Verschluss ans Ende des Rohres zu drücken, damit das Fressen herausfallen und über ein darunter angebrachtes Rohr zu ihr rollen konnte. Für die zweite Gruppe lernte die Schimpansin Georgia, den Korken mit einem Haken aus dem Rohr herauszuziehen, so dass der Köder ihr direkt in die Hände fallen konnte.

Dann wurde die erste Gruppe mit Erika allein gelassen und die zweite mit Georgia. Nach zwei Monaten hatten die Artgenossen die Technik der beiden Schimpansinnen durch Imitieren erlernt. Bestätigt wurde die These der Forscher noch dadurch, dass eine dritte Gruppe ohne "Lehrer" die Aufgabe nicht bewältigte.

Dominik Baur

© SPIEGEL ONLINE 2005